Mittwoch, 6. Juli 2011

Eine Branche lässt sich abschaffen

Fangen wir mal so an. Einige Jahre gab es keine Ausbildung zum "EDVler".
Elektroniker, Elektrotechniker, technik-affine Berufe waren für EDV-Aufgaben prädestiniert.
Kompetente Persönlichkeiten wurden gesucht und dies wurde mit einem sehr guten Gehalt honoriert. Hinzu kam, dass die hohen Margen für Computeranlagen Leerlaufzeiten zuließen oder eben gute Provisionen. Die Unternehmen waren aber auch meist unsolide gebaut. Die Preise veränderten sich, der Markt gab seinen Druck direkt weiter. Als Faustregel konnte man sagen, hohes Einkommen, unsicherer Job - niedriges Einkommen, sichere Arbeit. Selbst heute ist das noch die Faustregel. Kleinere, flexiblere Unternehmen zahlen nicht horrende Gehälter, werden aber solide geführt. Hinzu kommt, dass in größeren, strukturierten aber unflexiblen Unternehmen der Einzelne austauschbar ist und die Hierarchien nicht so flach sind. Was soll dies nun mit der ursprünglichen Aussage zu tun haben, dass die Branche sich abschafft?
Einerseits will ich hier auf die Entwicklung der Spezialisierung und Arbeitsbedingungen eingehen, andererseits auf die Generationenproblematik.
Es gab eine Generation, die ist mit den grundlegenden Strukturen des PCs aufgewachsen. Mit grafischen Oberflächen war noch nicht so viel anzufangen, man benutzte DOS und konfigurierte herum. Ziel war es meist nicht ein Spiel durchzuspielen, sondern überhaupt zum Laufen zu bekommen. Windows kam erst nach und nach. Erst mit Windows kam eine Netzwerkfähigkeit, die man auch daheim nutzen konnte. Und: Windows hatte noch DOS als Grundlage. Der Installationsprozess ist heute ganz anders und sehr einfach. PCs sind wirklich massentauglich und Privatpersonen zu installieren. Alles ist darauf ausgerichtet. Hardwarekomponenten, Installationsvorgänge von Betriebssystem und Software sowie die Bedienung von diesen. Und genau das sorgt dafür, dass die heutige Generation sich nicht mit der grundlegenden Architektur der Systeme auseinandersetzen muss. Und da die Systeme sehr viel komplizierter sind, geht die Ausbildung der Grundlagen sehr lange. Vielleicht kommt hier noch ein weiteres Problem zum Trage. So musste man sich früher alles merken, da man auf Wissen nur umständlich Zugang hatte. Heute steht alles im Internet, ist schnelllebig und die Menschen weniger darauf trainiert sich Fakten, Lösungen und Zusammenhänge zu merken. Ich sehe hier auch eine Problematik in der Erziehung und Bildung. Unterrichtsstoff wird mehr auswendig gelernt als richtig aufgenommen. Es wird im Kurzzeitgedächtnis gespeichert. Und ganz extrem zeigt sich so etwas in der Mathematik. Die Schüler werden nicht mehr darauf trainiert Probleme zu analysieren und dann durch Erarbeitung des Lösungsweges zu beheben, sondern es werden drei Wege vorgegeben und dann durchprobiert. In der EDV muss man strukturiert das Problem an der Wurzel angehen. Wenn ein Drucker nicht funktioniert, schaut man, ob er eingeschaltet ist, ob das Stromkabel steckt und ob er korrekt mit dem Netzwerk oder dem PC verbunden ist. Wenn dies passt, dann gibt es dutzende Wege. Einerseits kann man die Suche durch die Systematik verkürzen, andererseits durch Erfahrungswerte. Ich mag den Ausdruck "heutige Jugend" eigentlich nicht, trotzdem verwende ich ihn oft. Formulieren wir es mal so: Viele Jugendliche nachfolgender Generationen tun sich schwer bei Tätigkeiten, die ein eigenständiges, verantwortungsvolles und strukturiertes Arbeiten erfordern. Und, nicht ausschließlich, in der EDV in der Systemintegration und -betreuung ist dies von großer Bedeutung.
Die zunehmende Spezialisierung zeigt Ihre Effekte auf dem Arbeitsmarkt und im Gehalt. Die Angestellten und Selbständigen in der IT-Branche besitzen ein immer enger gefasstes Fachwissen. Man spezialisiert sich für einen Bereich und lässt sehr viel Wissen - und auch Grundlagen - auf der Strecke. Es ist zunehmend schwerer bis unmöglich als "Quereinsteiger" sich am Arbeitsmarkt zu platzieren. Und gerade in der angesprochenen Systemintegration und -betreuung fehlen die kompetenten Mitarbeiter. Spezialisten sind dafür nicht mehr zu gebrauchen und müssen langwierig geschult werden. In Zeiten des Outsourcing fatal. Umso seltsamer, dass die Systemhäuser schlechter bezahlen, wenn es um die "Allrounder" geht. Allerdings sieht man auch hier wieder die Verhältnismäßigkeit zwischen Gehalt und Sicherheit des Arbeitsplatzes. Ein Allrounder wird ungern entlassen, während ein Spezialist durch das praktisch identische Wissen ersetzbar ist. Hinzu kommt, ganz klar, dass ein Stundensatz eines Spezialisten über dem des Allrounders liegt. Es muss ja auch in das Wissen investiert werden, während dies bei den Allroundern oft vernachlässigt wird. Hier ist der eigene Antrieb und die Vielfalt der Systeme der Bildungsfaktor.
Die EDV-Branche dreht sich in einer Abwärtsspirale, die nicht aufzuhalten ist. Es wird in der Wirtschaft nicht erkannt, dass die Abhängigkeit von den Computersystemen steigt, die zunehmenden Aufgaben aber nur schwer bis gar nicht bewältigt werden können. Das Bildungssystem ist nicht gut genug angepasst und auch die Branche selber erfindet Mechanismen, die kontraproduktiv sind, die zwar kurzfristig auf dem Markt Vorteile ergeben, längerfristig aber die Entwicklung negativ beeinflusst. Vielleicht ein kleiner Wermutstropfen: Viele Branchen kämpfen damit!

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